Dissertation am Institut für Kernphysik zum Thema Korrekturen höherer Ordnung zu Prozessen im Standardmodell

20.07.2022

Wir gratulieren Herrn Dr. Matthias Heller zur abgeschlossenen Dissertation mit dem Titel

"Radiative corrections to Compton processes on the proton and to the Drell-Yan process"

In seiner Doktorarbeit hat Matthias Heller Strahlungskorrekturen zu zwei fundamentalen Prozessen berechnet: zum Compton Prozess am Proton, mit dem man Strukturfunktionen und intrinsische Eigenschaften von Protonen messen kann, und zum Drell-Yan Prozess, einer der wichtigsten Prozesse, die im LHC am CERN nachgewiesen werden können.

Kurzübersicht der Arbeit für Fachkundige:

Um neue, immer präziser-werdende Streuexperimente zu analysieren und mit Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik zu vergleichen, braucht man ein gutes theoretisches Verständnis der zugrunde liegenden Streuprozesse und muss daher Korrekturen höherer Ordnung in die Rechnung mit einbeziehen. Die Berechnung dieser Korrekturen ist im Allgemeinen jedoch sehr zeitaufwendig und komplex und neue Algorithmen und Methoden müssen entwickelt werden, um solche Rechnungen zu ermöglichen. In der vorliegenden Arbeit werden Strahlungskorrekturen zu zwei verschiedenen Prozessen bei sehr unterschiedlichen Energien berechnet. Obwohl die zugrundeliegende Theorie zu beiden Prozessen sehr unterschiedlich ist, sind die Methoden und Werkzeuge zur Berechnung in beiden Fällen die selben.

Im ersten Projekt werden Strahlungskorrekturen erster Ordnung in der Quantenelektrodynamik zum Compton-Prozess am Proton berechnet. Dieser ist einer der wichtigsten Prozesse, um die interne Struktur des Nukleons bei unterschiedlichen Energien zu untersuchen, indem man die Compton-Amplitude phänomenologisch aus verschiedenen Experimenten extrahiert. Dafür ist es aber erforderlich die Größenordnung der Strahlungskorrekturen auf den theoretisch vorhergesagten Wirkungsquerschnitten zu kennen, wenn man sie mit den experimentellen Daten vergleicht. In dieser Arbeit werden die Korrekturen für verschiedene experimentelle Situationen am Jefferson Lab und am MAMI-Beschleuniger und für verschiedene Modelle der Compton-Amplitude untersucht.

Im zweiten Projekt werden die gemischt-elektroschwach-starken Zwei-Schleifen-Korrekturen zum Drell-Yan Prozess berechnet. Obwohl sie eine große Aufmerksamkeit seitens der Teilchenphysik-Community im Laufe der letzten Jahrzehnte erhielten, ist die Berechnung dieser Korrekturen, ohne dabei Näherungen zu machen, technisch sehr herausfordernd. Der konzeptionell schwierigste Teil ist dabei die Berechnung der zwei-massigen Masterintegrale mittels Differentialgleichungen. Diese fallen in eine Klasse von Integralen, deren Differentialgleichungen nicht-rationalisierbare, algebraische Funktionen enthalten, so dass die Standardalgorithmen um sie zu integrieren nicht funktionieren. Wir entwickeln eine neue Methode, die es erlaubt solche Differentialgleichungen zu vereinfachen und anschließend zu lösen, und berechnen so alle Masterintegrale, die zu den gemischten elektroschwach-starken Zwei-Schleifen-Korrekturen zum Drell-Yan Prozess beitragen. Diese Integrale nutzen wir, um auch die gemischt-elektroschwach-starken virtuellen Zwei-Schleifen-Korrekturen der Helizitätsamplituden zum ersten Mal zu berechnen.