B1 – Entwicklung und Betrieb

Das Tätigkeitsfeld der B1-Kollaboration ist Konstruktion, Bau, Betrieb und Weiterentwicklung von Teilchenbeschleunigern, speziell der Beschleunigeranlage „Mainzer Mikrotron“ (MAMI). MAMI ist eine Kaskade von Mikrotronen, die weltweit einmalig ist und einen Elektronenstrahl höchster Qualität von bis zu 1.5GeV bei 100μA liefert (1.500.000.000V Spannungsäquivalent bei einem Strom von 0.0001A entspricht 150kW Strahlleistung). Der Aufbau dieser Anlage, beginnend mit einer noch relativ kleinen Mikrotronstufe, zum größten Rennbahn-Mikrotron der Welt und dann, als bisher letzte Stufe, ein neuartiger, in unserer Arbeitsgruppe erdachter und entwickelter Mikrotrontyp, dem Harmonischen Doppelseitigen Mikrotron, verhalf der Mainzer Arbeitsgruppe zu internationaler Anerkennung. Zu unseren Aufgaben gehört – neben dem Betrieb dieser Anlage – zum einen deren Weiterentwicklung für die Anforderungen neuer Experimente in der Kernphysik, z.B. durch Erhöhung der Ausschussenergie, zum anderen die Konzeption weiterer für die Kernforschung geeigneter Teilchenbeschleuniger. Hier arbeiten wir zurzeit z.B. gemeinsam mit Kollegen aus Bonn, Dortmund und Jülich, an dem Entwurf eines Elektron-Nukleon Kolliders, der in die Beschleunigeranlagen des FAIR Zentrums in Darmstadt, integriert werden kann.

Technologien und Arbeitsgebiete

Eingesetzte Technologie

Der Bau einer dermaßen komplexen Maschine wie z.B. MAMI ist in einem vernünftigen Zeit- und Kostenrahmen nur dann zu bewerkstelligen, wenn man die entscheidenden Komponenten vorher in Computersimulationen nachbildet. Der Beginn der Konstruktion eines Beschleunigers ist daher die Simulation des Strahlverhaltens mit Programmen wie „Transport“ oder den im Institut entwickelten Programmen „ptrace“ und „beamoptik“, die Simulation von Beschleunigungsstrukturen mit z.B. „Parmela“ oder „MAFIA“ und die Simulation von Magneten bzw. Magnetfeldern mit beispielsweise „Tosca“. Im nächsten Schritt ist dann die technische Umsetzung gefragt. Hier helfen beispielsweise Programme wie „Microwave Office“ für die Dimensionierung von Mikrowellenbauteilen, „contour“ zur Konstruktion von Spulen zur Magnetfeldkorrektur, „I-deas“ oder „ANSYS“ für strukturmechanische Berechnungen oder „AutoCad“ für mechanische Konstruktionszeichnungen. Die meisten dieser Programme – insbesondere diejenigen zur Simulation des Strahlverhaltens – werden auch im Betrieb des Beschleunigers weiter benutzt, um zum einen Fehler einzugrenzen, hier, indem man die Strahlparameter mit der Simulation vergleicht, zum anderen Verbesserungen und Erweiterungen vorauszuplanen oder deren Konsequenzen untersuchen zu können. Für die eigentliche Herstellung der Anlage sind außer einer motivierten Mannschaft gut ausgerüstete Werkstätten sowie spezielle Maschinen und Einrichtungen notwendig, denn viele für einen Beschleuniger erforderliche Komponenten lassen sich nicht von der Stange kaufen. Das Institut verfügt über eine Mechanik-, Elektronik- und Vakuumwerkstatt, ein Mikrowellenlabor, ein Hochspannungslabor und etliche Gerätschaften, wie beispielsweise einem Vakuumlötofen für die Herstellung von Beschleunigungsstrukturen.

Am Beschleuniger gibt es eine Reihe von Strahldiagnoseeinrichtungen, die keineswegs nur bei der Inbetriebnahme benötigt wurden, sondern auch im Betrieb erforderlich oder zumindest hilfreich sind. Viele davon wurden im Institut entwickelt, zumeist im Rahmen von Diplom- oder Doktorarbeiten, wie z.B. Hochfrequenz-Strahllage- und –Phasenmonitore, Synchrotronstrahlungsmonitore, Strahlprofilscanner, hochgenaue Strommesssonden (Fluxgate-Magnetometer), Systeme zur Emittanzmessung oder ein System zum Sichtbarmachen des longitudinalen Phasenraums am Ende des Injektionslinearbeschleunigers. Ein aus vernetzten Computern bestehendes Beschleuniger-Steuerungssystem dient nicht nur der Bedienung der Anlage, sondern sorgt auch für Auslese und Auswertung dieser strahldiagnostischen Instrumente. Die Diagnoseeinrichtungen werden auch teilweise wieder für eine direkte Verbesserung des Elektronenstrahls eingesetzt. So gibt es Strahllagestabilisierungen und eine Strahlstromstabilisierung. Im Rahmen einer Doktorarbeit wurde ein System zur Stabilisierung der Strahlenergie (bei 855MeV auf 1keV genau) entwickelt. Für spezielle Experimente wurde zudem ein strahloptisches System zur Erzeugung eines Mikrofokus gebaut (mit ca. 8μm Radius) und ein supraleitender Undulator entwickelt.

Ausbau und Erweiterung

Um neuen Experimenten der Kernphysik Rechnung zu tragen, wird die Beschleunigeranlage von der Kollaboration B1 ständig verbessert und erweitert. Grundvoraussetzung hierfür ist die Beherrschung der Anlage, nicht nur in technischer, sondern auch in beschleunigerphysikalischer Hinsicht. Daher gibt es eine Reihe von Projekten für strahloptische Untersuchungen und zum Aufbau hierfür nötiger diagnostischer Instrumentierung. Beispiele hierfür sind: Die Verbesserung der Synchrotronstrahlungsmonitore, um die Emittanz genauer zu vermessen, Untersuchungen der longitudinalen Strahldynamik für eine Stabilisierung der Energie auch bei 1.5GeV oder magnettechnische Untersuchungen im Hinblick auf eine Erhöhung der Ausschussenergie des HDSM.

Zukunftstechnologie

Vorschläge zu neuartigen Experimenten in der Kernphysik werden es in Zukunft erforderlich machen, über andere Arten von Teilchenbeschleunigern nachzudenken, wie beispielsweise einem Rezirkulator mit supraleitenden Beschleunigungssektionen für hohe Teilchenströme. Dieser soll bei einer Energie von etwa 200MeV einen Elektronenstrahl von 10mA erzeugen können. Die daraus resultierende Strahlleistung von 2MW wäre nur äußerst unökonomisch aufrecht zu erhalten. Daher wird untersucht, ob nicht für kernphysikalische Experimente die Technik des „Energy-Recovery“ eingesetzt werden kann, bei der der Strahl nach der Wechselwirkung im Experiment in den Beschleunigersektionen um 180° phasenverschoben zum beschleunigten Strahl abgebremst wird und dabei einen Großteil (>99%) seiner Energie wieder abgibt, die dann direkt für die Beschleunigung der „neuen“ Teilchen verwendet werden kann.

Elektron-Nukleon Kollider

In einer weiteren Studie arbeiten wir zusammen mit Kollegen der Universitäten Bonn, Dortmund und Jülich an einem Konzept für einen Elektron-Nukleon Kollider. Diese Anlage soll polarisierte Elektronen von bis zu 3GeV mit polarisierten Protonen der Energie von 15GeV (und auch Deuteronen) zur Kollision bringen. Als Speicherring für die Protonen/Deuteronen soll dabei der Hochenergiespeicherring des FAIR Projektes (GSI in Darmstadt) dienen, der, ergänzt um einen Elektronenring, dann auch als Kollider eingesetzt werden kann. Zur Optimierung der Luminosität einer solchen Anlage, d.h. der Maximierung der Zahl der beobachtbaren Ereignisse, sind viele unterschiedliche Beschleunigerparameter und strahldynamische Effekte zu untersuchen. Zu nennen ist hier z.B. die Optimierung der Effizienz der Strahlkühlung des gebunchten Protonenstrahls mit hochenergetischen (8MeV und mehr) Elektronen, um einen möglichst kleinen Strahlquerschnitt zu erhalten und gleichzeitig die störenden Effekte der dann wachsenden Raumladung (des Strahls selbst und in der Wechselwirkung mit dem Elektronenstrahl) zu beherrschen.

Mitglieder
Partner
  • CEBAF, Thomas Jefferson National Accelerator Facility
  • COSY, Institut für Kernphysik, Forschungszentrum Jülich
  • DELTA, Zentrum Für Synchrotronstrahlung, Technische Universität Dortmund
  • ELSA, Physikalisches Institut, Universität
  • GSI, Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH
  • Institute for Nuclear Physics, Lomonossov Moscow State University
  • RHIC, Brookhaven National Laboratory
  • S-DALINAC, Institut für Kernphysik, Technische Universität Darmstadt